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Besinnungspause

Dies ist mal wieder ein sehr persönlicher Beitrag. Vielleicht ist Dir aufgefallen, dass ich in diesem Blog seit einiger Zeit nicht mehr geschrieben habe. Dafür gibt es einen einfachen Grund: Ich weiss zur Zeit nicht mehr recht, was ich sagen bzw. schreiben soll. Und die konkreten Projekte, die ich in den vergangenen Jahren in die Welt gesetzt habe, hatten oder haben zum aktuellen Zeitpunkt kein Entfaltungspotential.

Anfang 2018 habe ich gemeinsam mit Eylin und Julia die Partei „Die Meditierer“ gegründet. Nach fast zwei Jahren besteht diese Partei unverändert aus vier Mitgliedern. Eine Grundidee der Partei „Die Meditierer“ ist es, ohne von der Partei vorgegebene Vorstellungen oder Forderungen politisch aktiv zu werden. So eine Partei gibt es bisher nicht, aber genau dieser Aspekt scheint für viele ein inakzeptabler Widerspruch zu sein. Sie können mit einer Partei, die keine Aussagen dazu macht, was richtig oder falsch wäre, einfach nichts anfangen. Auch das Konzept selber ist für viele befremdlich. Es ist offensichtlich unvorstellbar, dass sich politisch oder gesellschaftlich etwas verändern kann, wenn man gemeinsam in einem Raum sitzt und nicht die ganze Zeit redet, sondern gemeinsam schweigt. Manch einer, der den Weg zu einer der Versammlungen fand, sass in den stillen Phasen des Zusammenseins mit raschelnden Blättern oder einem Kopf voller Gedanken und wartete darauf, dass es endlich „losgehen“ würde. Dass Stille eine Form von gesellschaftlicher Veränderung sein kann, die nicht nach bekannten Mustern verläuft - undenkbar. Die „Politiker“ (im klassischen Sinne) blieben also weg. Andere, die z.B. regelmässig meditieren, sahen keinen Grund darin, gemeinsam im Rahmen einer gesellschaftlichen Plattform (hier: Partei) zu meditieren. „Die Meditierer“ gibt es weiterhin, was auch einmal aus diesem Angebot einer Projektplattform werden mag …

Ein weiterer im meinem Verständnis durchaus politischer Wirkungsbereich ist das Institut für Tantra und Yoga „No-Guru“. Hier hat in den vergangenen Jahren für mich ein wesentlicher Wandel stattgefunden. Ich habe nach und nach alle von mir angeleiteten Angebote beendet, bei denen es darum ging, irgend jemandem etwas zu zeigen oder zu einem Ziel zu bringen. Mal abgesehen davon, dass es im Projekt No-Guru noch nie eine Intention gab, jemandem durch Anleitung zu einem besseren Leben, besseren Sex oder sonst etwas Besserem zu verhelfen. 

Meine Stärke ist es, Menschen in Gruppen oder individuell zu begleiten, ihren eigenen Weg zu entdecken. Das setzt die Bereitschaft voraus, sich aus Mustern, Konditionierungen und auch Vorstellungen zu lösen, wie etwas „besser“ sein könnte. Es setzt die Bereitschaft zu dem Abenteuer voraus, die Bereitschaft zu entwickeln, sich radikal mit allem auseinanderzusetzen, was das eigene Leben und die eigenen Vorstellungen vom Leben bestimmt. In diesem Sinne bin ich bei No-Guru in den vergangenen Jahren kompromissloser geworden und habe Ziele durch Raum ersetzt - Raum der die Möglichkeit gibt, sich ganz individuell mit dem zu entfalten, was einen ausmacht. Es hat mich betroffen gemacht, dass sich auf diesem (meinem) Weg viele ehemalige Begleiter*innen in andere Richtungen orientiert haben.

Und dann gibt es noch das Toulouse, ein Zentrum für Tanz, Bewusstsein und Bewegung. Das gab es mal im Beerenweg in Hamburg Bahrenfeld. Die vorherigen Betreiber wollten sich aus dem Projekt zurückziehen. Meine Idee bei der Übernahme des Zentrums in 2016 war, diesen Ort für neue Ideen und Projekte (wie z.B. Die Meditierer) zu öffnen. Das Vorhaben scheiterte aus vielerlei Gründen. Drei Jahre Kampf mit von mir als einengend empfundenen Strukturen hatte ich nicht erwartet. Gleichzeitig war ich in einem unerwarteten Maße mit Organisation und Administration beschäftigt, was mir Raum für andere Dinge nahm. In diesem Sinne bin ich froh, dass wir Anfang 2019 im Beerenweg aussteigen konnten. Ich bin dankbar für vieles, was ich in den drei Jahren lernen durfte.

Und jetzt bin ich erst einmal ratlos. Seit etwa einem Jahr schon. Dass ich mich zusätzlich in meinem Lebensumfeld nicht mehr wohl fühle, ist mir im Herbst 2018 deutlich geworden, als ich auf den Seiten von No-Guru den Blogbeitrag „Visionen“ schrieb. Immer mehr Menschen zu begegnen, die die Welt durch das Display ihres Smartphones sehen, ist für mich befremdlich. Oder das Thema des aktuell medial wie auf den Strassen allseits präsenten SUV: Schon als vor Jahren die ersten Modelle in die Städte kamen, habe ich mich gefragt, ob die Strassen auf dem Land so schlecht geworden wären, dass jetzt mehr Geländewagen gebraucht würden. Irgendwann habe auch ich verstanden, dass sich Menschen mit ausreichend Geld offensichtlich auch auf der Strasse in Panzerwagen vom Rest der Gesellschaft abgrenzen möchten. Manche Menschen demonstrieren heute gegen den Klimawandel, andere demonstrieren in ihrem SUV die Ignoranz gegenüber diesem Thema.

Konrad Lorenz hat vor fast 50 Jahren ein Buch mit dem Titel „Der Abbau des Menschlichen“ geschrieben. Dieser Titel fällt mir in meinem Bücherregal immer wieder ins Auge. Wenn ich auch andere Beobachter des vergangenen Jahrhunderts wie z.B. Erich Fromm, Aldous Huxley oder Alan Watts lese, frage ich mich, was denn noch gesagt werden muss? Was unsere Gesellschaft angeht, ist letztendlich alles schon gesagt. Ich fühle mich den genannten Autoren auch deshalb besonders verbunden, da sie sich mit ihren Aussagen und ihrem Leben in gesellschaftliche und politische Bereiche einmischen und gleichzeitig in dem Bereich des Lebens, in dem es weder Worte noch Bilder gibt -auch Spiritualität genannt- gut zu Hause sind. Diese Ansätze werden heute insbesondere von Yuval Noah Harari weitergedacht, der davon spricht, dass die Menschen sich auf dem Weg befinden, gegenüber einer neuen Form von Intelligenz die Rolle einzunehmen, die wir bisher unserem domestizierten Tieren und unserem Nutzvieh geben. Und ich frage mich, ob nicht ein grosser Teil der Menschheit schon längst in diesem Stadium angekommen ist …

Was nun? Ich brauche weiterhin (m)eine Besinnungspause. Seit einem Jahr suche ich gemeinsam mit meiner Partnerin nach einem Ort in der Natur, wie ich ihn in meinem Beitrag „Visionen“ beschrieben habe. Obwohl wir auch offen für andere Länder waren und auch sind, kommen konkrete Angebote immer wieder aus Italien. Wir schauen uns Häuser an und halten uns auch mehrere Tage an diesen Orten auf. Dadurch wird es aktuell manchmal schwierig, eigene Veranstaltungen zu planen, da wir uns viel nach Terminen anderer richten müssen. Es geht mir nicht darum, den Rückzug aus der Welt anzutreten. Ich bin ein Berührungsmensch und ich liebe jegliche Form von Kontakt, der entkonditioniert stattfindet. Aber davon gibt es in meinem Alltagsumfeld leider zu wenig.

 

Testbild Sendepause

Eine kleine Erläuterung zu diesem Bild, welches manche von euch vielleicht nicht kennen werden: Im vergangenen Jahrhundert, als das Fernsehen noch keine 24 Stunden auf Sendung war, konnte man nach Programmende, in Sendepausen oder bei Programmunterbrechungen so ein Bild sehen. Es gehörte gewissermassen zum Fernsehprogramm dazu. Als Testbild diente es zu Messzwecken. Es handelte sich somit um eine aktive Pause.

Du zählst nicht – oder doch?
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